Spinnen denn jetzt alle?
Wieviel Spiritualität braucht Yoga?

30.03.2021, Annett Schpeniuk


Keine Sorge, das Angenehme am Yoga ist, dass alles kann und nichts muss. Yoga ist ein Angebot, dass für alle und wirklich für alle etwas bereithält.

Im Gegensatz zu den Religionen wird beim Yoga kein Glaube vorausgesetzt. So hat sich die Spiritualität in den letzten Jahrzehnten von den Religionen freigeschwommen. Früher bedurfte es immer des religiösen Kontextes, um spirituelle Übungen zu erlernen. Heute gibt es Yoga und Meditation, die unabhängig von Religion angeboten werden, denn allein das Anzünden eins Räucherstäbchens reicht eben nicht. Der Zulauf zum Yoga scheint aber deutlich zu machen, dass viele auf der Suche sind. Nicht nur die Aussicht auf einen „schöneren“ Körper, sondern eine tiefere Sehnsucht nach Antworten ist oft der Motor sich auf die Yogamatte zu begeben.

Aber wieviel Spiritualität braucht nun der Mensch? … Wie kann man in diesen modernen und Pandemie – gezeichneten Zeiten Spiritualität leben?

Wenn das Wort Spiritualität fällt, kommt auch bald das Wort „Transzendenz“ um die Ecke, was so viel wie „über etwas hinaus gehen“ bedeutet. Spiritualität lädt uns also ein über den eigenen Tellerrand zu schauen, sich als Teil eines Größeren zu fühlen. Hinzu kommen die Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Bedeutung des Todes für unser Leben. Am Ende eines Lebens stellt sich die Frage, ob das eigene Leben gelungen ist, ob man in Dankbarkeit und Zufriedenheit auf das Leben zurückschauen kann und wie die Beziehungen ausschauen, die wir hinterlassen. Kurz: es stellt sich die Frage, ob wir ein erfülltes Leben hatten.

Yoga liefert hier keine vorgefertigten Antworten, aber Yoga kann der Raum sein, in dem wir uns diesen Fragen widmen können. Und das Schöne ist, wir können ganz klein anfangen, wir können zunächst mal nur mit uns selbst in Verbindung treten. Diesen Aktionsradius können wir langsam, Schritt für Schritt ausweiten.

Dürfen Popstars Vorbilder sein? Vielleicht. Madonna z.b. „realisierte in ihrer ersten Schwangerschaft, dass sie bis dato sich nur um sich selbst gekümmert hatte und nun bald für das Leben eines anderen Menschen verantwortlich sein würde“ Sie begann nach einer tieferen Bedeutung zu suchen und gelang zu der Erkenntnis, das es nicht genügt reich zu sein." Spiritualität wurde für sie die Suche nach dem inneren Antrieb, den Werten, dem Weg in ein sinnerfülltes Leben.

Um nun beim Yoga zu bleiben: Im Yoga finden wir Übungen, die darauf zielen sollen, so etwas wie unsere Identität, unser Selbst (Atman), die unzerstörbare, ewige Essenz zu entdecken. Es geht um ein spirituelles Verständnis und die eigene Entwicklung. Es geht um die Anbindung des Körpers an die Seele, damit wir mit uns selbst und der Welt im Reinen sein können.

Krisen egal welcher Natur, so auch diese Pandemie, bringen Ängste mit sich, die oft tiefer liegen, als es zunächst scheint. Ängste die bis dato sorgsam abseits gehalten wurden, treten nun zu Corona Zeiten ins Rampenlicht. Nämlich Ängste rund um Krankheit, Sterben und Tod. Diese Themen rückten näher an die Menschen heran, als es vorher der Fall war. Wie kann ich meinen Ängsten begegnen? Wie kann ich zur Ruhe kommen inmitten dieser Ängste. Wie gehe ich mit mir um, wie finde ich meine Mitte und gestalte von dort aus mein Leben zwischen Home Office und Abstandsregel. Beim Yoga können wir uns bemühen in die Wahrnehmung, ins sinnliche Erleben zu kommen. Wir können gedanklich in Verbindung zu anderen Menschen treten, zur Natur, Musik und Kunst. Wir können Erfahrungen von Zugehörigkeit, Einheit und Trost, die auf dem Weg zur Spiritualität sehr wichtig sind, machen.

Wenn der Tod also durch das Wissen um unsere Identität, unser „Selbst“ und durch die Erfahrungen der Verbundenheit, die wir gemacht haben, dann den Schrecken verliert, also nicht mehr ganz so schrecklich ist, dann verliert auch die Pandemie die Bedrohung und unsere Ängste lösen sich zwar nicht auf, aber sie halten uns nicht mehr in der Zange. So können wir trotz der ganzen Defizite, mit denen wir gerade zu kämpfen haben, zufrieden durch die Pandemie gehen. Und das ist doch eine sehr schöne Aussicht.

Wahrscheinlich können wir auch Ostern nicht so feiern wie wir es gewohnt sind. Vielleicht gelingt es uns über den Tellerrand zu schauen, und uns nicht komplett von unserer eigenen Problematik und Traurigkeit mit der Pandemie einnehmen zu lassen.

Tipps

Diese 2 täglichen Übungen können dir helfen Spiritualität zu leben.

1. Beginne den Tag mit einer kurzen Innenschau, während der du dir die Frage stellst, in welchem Sinn, mit welcher Intention du den Tag heute verbringen, verleben oder gestalten möchtest.

2. Am Ende des Tages frage dich, was dich besonders berührt hat, was dem Tage Tiefe verliehen hat.

Pandemiebedingt ähneln sich wahrscheinlich die Tage oberflächlich betrachtet. Diese kleinen Übungen zeigen, dass es eben doch Dinge gibt, die tiefer gehen, was man, bevor man darüber nachgedacht hat, nicht für möglich gehalten hätte.