Stärke deine Resilienz

Interview mit Alexandra Kleinheinrich, 01.12.2024


Viele kennen Alexandra Kleinheinrich vom Somatic Yoga! Nur wenige wissen, dass Alexandra auch eine andere Yoga-Seite hat. Aufgewachsen im Vinyasa Yoga bei Spirit Yoga, hat sie sich unter anderem bei Ana Forrest in Forrest Yoga® ausbilden lassen und damit einen Yogastil in ihr Repertoire aufgenommen, der durch kraftvolle, lange gehaltene Posen sowohl körperlich als auch emotional stärken möchte. Die Kombination aus Somatic Yoga und Power Yoga, die Alexandra auszeichnet, ist im Hinblick auf Resilienz äußerst spannend. Kein Wunder, dass wir noch einmal mit ihr sprechen wollten...

Katharina: Warum glaubst du, ist Kraft im Leben wichtig? Oder vielleicht auch in welchen Lebensphasen? 

Alexandra: Ich selbst habe in meinen Zwanzigern zum ersten Mal mit kraftvollem Yoga auf die Matte gefunden. Damals lebte ich in London, interviewte Akteure des Nationalsozialismus für die BBC und lebte in einer aus heutiger Sicht unguten Partnerschaft. Erst als ich kraftvolles Yoga entdeckte - damals Ashtanga - kam ich zur Ruhe. Es war wie Magie. Meine Kraft auf der Matte zu spüren und bald schon mit Leichtigkeit in schwierige Haltungen – wie den Handstand oder das volle Rad - gehen zu können, hat mir damals geholfen nicht unterzugehen.

Egal wie erschütternd die Bilder des Holocausts waren, egal wie oft ich in meiner Beziehung an Nullpunkterfahrungen kam, da war etwas, was ich aus eigener Kraft schaffte und was mir Freude schenkte. Und alles was ich dazu brauchte, war eine Matte, meinen Körper und das Commitment zu üben. Diese Lektion hat mich nie verlassen. Wenn das Leben schwierig wird, verpflichte ich mich selbst kraftvoll zu praktizieren. Und das müssen keine 90min sein! Ich gehe jeden Morgen noch vor dem Frühstück für 10- 15min auf die Matte. Auf nüchternen Magen Bauchübungen machen, die Arme und den Rumpf kräftigen und dann ab in einen halben Handstand an der Wand. Mit diesem Kraft Kick lassen sich pubertierende Kinder, Wechseljahre, berufliche Herausforderungen und selbst verstörende politische Nachrichten besser halten.

Katharina: Gibt es aus deiner Sicht verschiedene Formen von Kraft? 

Alexandra: Ja, es gibt verschiedene Formen von körperlicher Kraft. Zum Beispiel Kraft in Form von stählernen, aufgepumpten Muskeln, die vor dem Spiegel betrachtet werden. Die Kraft, die ich spannend finde, ist eine andere. Sie entsteht von innen heraus. Erst wird die tiefliegende Core Muskulatur auf intelligente Art gekräftigt, dann werden starke Beine und Arme etabliert -  um dann angespannte Stellen im Körper - den Kiefer, den Nacken, die Stirn - loslassen zu können. Diese Art von Kraft die durch Yoga entstehen kann, hat immer auch die Weichheit an Bord. Dadurch, dass Teile des Körpers stark sind, dürfen andere Stellen loslassen. Wenn man es yogisch ausdrücken möchte: sthira (fest) und sukha (süß). Durch dieses Zusammenspiel kann ich aus einem stabilen Kern dem Leben mit  mehr Offenheit und Mitgefühl begegnen.

Katharina: Kann zu viel oder zu wenig Kraft ungesund sein?

Alexandra: Ich finde diese Frage nicht leicht zu beantworten. Was ist zu viel Kraft? Was zu wenig? Vielleicht eine persönliche Anmerkung: als ich noch viel jünger war und mit meiner Kraft und meinen Grenzen überhaupt nicht klug umzugehen wusste, bin ich einmal ohne optimale Ausrichtung und vor allem ohne vorab das Zentrum zu arbeiten in eine optisch beeindruckende Rückbeuge – in das volle Rad – gegangen und habe mir einen Miniskusriss zugezogen. Ein klassischer Fall von zu wenig Kraft an der richtigen Stelle. Den Übermut musste ich mit einer Knie OP bezahlen. Zum Glück ist heute alles wieder gut, unter anderem auch dank Ana Forrest, die mir zeigte, wie ich die Muskulatur um das Knie herum intelligent ansteuern kann um den Miniskus zu schützen. Seit ich ihre Techniken und auch ihre Modifikationen anwende, hatte ich nie wieder Knieschmerzen und kann jede  Haltung die das Knie beanspruchen ausführen. 

Katharina: Wie hat Ana Forest ggf. dein Verständnis zum Thema Frauen und Kraft verändert oder geprägt? 

Alexandra: Mir hat gefallen, dass Ana Forrest den Aspekt der körperlichen Kraft nutzt, um die seelische Resilienz zu stärken. Diesen direkten Zusammenhang habe ich so erst bei „Der Yoga Kriegerin“ kennengelernt. Sozusagen Power für Körper und Seele. Forrest Yoga fördert die ehrliche Verbindung zu dir selbst, schenkt Energie und Lebendigkeit und aktiviert Selbstheilungskräfte. In den Forrest Trainings ging es immer auch darum, die eigene Wahrheit zu verkörpern und um den Mut diese auszusprechen. Ich glaube, das ist etwas, was gerade Frauen immer noch schwer fällt, ob in der Familie, im Beruf oder in Freundschaften. Diesen Mut sich zu zeigen, auch mit den eigenen Schattenseiten und Bedürfnissen fällt leichter, wenn man in seiner Körpermitte gefestigt ist: Dadurch, dass frau in der Forrest Praxis sinnvoll an ihre körperlichen Grenzen geht, habe ich erlebt wie diese klar und aus dem Herzen heraus ihren Standpunkt sprechen und ihre Scham überwinden konnten. Das habe ich als sehr berührend erlebt. 

Katharina: Wenn Menschen sich kraftvoll fühlen, sollten sie dennoch kraftvolles Yoga machen? 

Alexandra: Wie schon oben erwähnt, wird es für mich dann interessant, wenn Kraft auf Weichheit trifft. Wenn also ein Mensch, der sich kraftvoll fühlt - und es vielleicht auch ist - seine Kraft nutzt, um tiefer zu gehen. Man kann sich am Anfang der Praxis eine Intention setzen und z.B. einem bestimmten Gefühl nachspüren oder einen bestimmten Körperteil der verspannt oder beschädigt ist einladen loszulassen. In den meisten Fällen und bei unserer Lebensführung sind die angespannten Bereiche im Körper der Nacken, die Schultern und der Kiefer. Dann kommen der Rücken und die Hüfte. Also ja, wenn du dich kraftvoll fühlst, kannst du deine power nutzen, um mit empfindlichen Teilen deines Körpers oder deiner Seele liebevoll umgehen zu lernen!

Katharina: Was möchtest du mit deiner Themenreihe vermitteln? 

Alexandra: Ich möchte Lust machen, in die Kraft zu gehen. Wie man vielleicht weiß, stehe ich in der Yogaszene für Somatic Yoga und bin nach wie vor beseelt von dieser feinen, stresslösenden Methode. Dennoch gibt es Phasen und Momente im Leben, wo es einfach Spaß macht und sinnvoll ist, direkt in die Kraft zu gehen. Zum Beispiel, wenn man sich in der Welt umschaut und man manchmal nur noch schreien möchte.  

Katharina: Gibt es Kontraindikationen, die eine Teilnahme erschweren oder unmöglich machen? 

Alexandra: Ich möchte jedes Alter und jeden Körper einladen die Reihe auszuprobieren. Die einzige Kontraindikation wäre, wenn du aktuell schwanger bist. Da ich gezielt und bewusst mit den Übungen in die Körpermitte gehen werde, würde das deinem Baby schaden und die Praxis müsste an den entscheidenden Stellen sehr verändert werden. Wenn du schwanger bist, genieße deinen weichen, wachsenden Bauch und halte dich fern von Core-Übungen. 

Katharina: Kannst du eine besondere Übung nennen, die du mit Kraft verbindest?

Alexandra: Ich mag den klassischen, gut ausgerichteten Virabhadrasana 2 (Krieger 2), da er die Elemente von Kraft und Weichheit – sthira und sukha so wunderbar vereint. Die Basis ist aktiv, standfest und kraftvoll, durch aktive Füße, starke Beine und ein festes Zentrum und in der Region oberhalb des Bauchnabels darf es durchlässig und weich werden. Elegant ausgebreitete Arme, ein entspannter Kiefer und einen fokussierten aber zugleich sanften Blick. Power und Softness eben.

Katharina: Gibt es etwas, dass du den Leser*innen in Bezug auf einen mutigen Umgang mit Kraft mit auf den Weg geben möchtest?

Alexandra: Ich glaube, das Kraftvollste und zugleich Spannendste im Leben ist es, immer authentischer zu werden. Mir hilft eine kraftvolle Praxis und die Stärkung meiner Mitte aufrechter und aufrichtiger zu agieren, was auch mir mal besser und mal weniger gut gelingt. Aber das Wichtigste ist: es gelingt immer wieder! Oder um es mit David Bowie zu sagen: “Aging is an extraordinary process whereby you become the person you always should have been.”

Vielen lieben Dank Alexandra für das persönliche und kraftvolle Interview. Wer sich mit Kraft durch Yoga stärken möchte, kann dies mit Alexandra und nivata Zehlendorf am 5., 12. und 19. Januar tun! 

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