"Abtauchen in die Leere"

23. März 2022 Annett Schpeniuk


"Wenn du Pausen Aufmerksamkeit schenkst, wird aus dem Gewahrsein von „etwas“, einfach Gewahrsein." (Eckardt Tolle)

Zu den faszinierendsten Fähigkeiten des Menschen gehört, dass wir uns über alles Mögliche Gedanken machen können. Doch die ständigen Auseinandersetzungen im Kopf, nerven eben auch oft. Müssen wir wirklich immerzu denken?

Unser Gehirn ist mehr als nur eine Zentrale des Denkens, es ist gerne gedankenlos und kennt sich mit der Technik der Leere aus. Gedankenleere oder das „no mind“ schafft eine Pause und sorgt für Entspannung. Problematische Dinge verlieren ihre Bedeutung und Inseln der Achtsamkeit tauchen auf.

Shuniya wird in den meisten Traditionen mit „Leere“ oder „Nichts“ übersetzt. Wahrscheinlich erschrecken viele erstmal, weil es in Verbindung mit Mangel gebracht wird. Mangel, ein Wort, das mit Krise „Gähnende Leere im Kühlschrank“ assoziiert wird und zu Beängstigung führt. Mangel = Leiden, das will ja niemand und nach dem Mangel wird die Erinnerung an ihn gründlich übertüncht mit Überfluss.

Doch Mangel oder Leere kann inneren Platz schaffen, der sonst z.B. mit Konsum, Informationen oder anderen Ablenkungen. belegt ist. Die Frage ist, wie wir mit diesem Platz, der Leere oder Lücke umgehen.

Shuniya meint einen Bewusstseinszustand, der mit Stille einhergeht, die sich meist dann zeigt, wenn die Wellen der Bewegung, des Tuns zur Ruhe kommen, wo wir nicht noch mehr werden wollen, sondern sind, und die Lücken im Strom der kreisenden Gedankenketten erforschen, um dann zu beobachten, wie die Dinge passieren und sich entfalten.

Vielleicht kennst du diese kleinen Momentschnipsel des „SoSeins“ in einer Asana auf der Yogamatte oder nach dem Loslassen des Ausatmens, in dem sich etwas in dir jenseits von Raum und Zeit geöffnet hat. In diesen Momenten gibt es kein Wollen oder Verlangen, kein links oder rechts, weder aktiv noch passiv. Die Dinge ergeben sich in Harmonie und friedvoller Ruhe ohne das Zutun des sonst lamentierenden Ichs. In diesen Momenten erfahren wir die Fülle des Unsagbaren, weil alle Gegensätze unserer gewohnten Logik zusammenfallen.

Shuniya ist das „Tor zur Meditation“. Im Zustand der Meditation schweifen die Gedanken nicht mehr ab. Sich mit dieser Gedankenpause vertraut zu machen, eröffnet völlig neue Möglichkeiten der Wahrnehmung.

Leere erfordert Mut. Wenn du mit halben Herzen meditierst, immer wieder zum Ausgang schielst, wirst du die Lücke verpassen. Gelungene Leere kann nur dann eintreten, wenn wir uns voller Vertrauen darauf einlassen und nicht betrauern was wir in der Zeit alles verpassen könnten.

Mut zur Gedankenlücke!